Beitrag mit freundlicher Genehmigung der Ärzte Zeitung
Hauke Gerlof
Stellvertretender Chefredakteur
Ressortleiter Wirtschaft – Ärzte Zeitung
Privatarzt in der Corona-Pandemie? Das ist im Lockdown wie Arbeit am Trapez ohne Netz und doppelten Boden. Es gibt keinen Ausgleich für ausbleibende Patienten. Vor allem Hausärzte ziehen
sich aber offenbar überwiegend gut aus der Affäre. Die Privateinnahmen bei Vertragsärzten haben in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den Umsätzen aus der Behandlung von Kassenpatienten an
Bedeutung eingebüßt.
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Die Privateinnahmen bei Vertragsärzten haben in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den Umsätzen aus der Behandlung von Kassenpatienten an Bedeutung eingebüßt.
Neu-Isenburg/Berlin. Für vier von zehn Freiberuflern hat sich die wirtschaftliche Lage im vergangenen Jahr verschlechtert, für rund 25 Prozent ist der bisher entstandene Schaden
existenzbedrohend. Als der Bundesverband der Freien Berufe zu Jahresbeginn die Ergebnisse seiner turnusmäßigen Konjunkturumfrage veröffentlichte, da stellte
sich die Frage, inwieweit auch Ärzte betroffen sein könnten.
Zumindest Kassenärzte konnten sich trotz starker Einbrüche bei Vorsorgeleistungen auf einer relativ sicheren Seite wähnen, weil sie im Bedarfsfall auf Hilfen aus dem Schutzschirm der KV hoffen
konnten.
Umsatzverluste bis zu 60 Prozent
Anders sah es – und sieht es bis heute – bei Kassenärzten mit hohem Privat- und IGeL-Anteil aus und natürlich erst recht bei rein privatärztlich arbeitenden Niedergelassenen.
Bei vielen Privatärzten seien die Umsätze in den Monaten April und Mai massiv zurückgegangen, je nach Fachrichtung bis zu 60 Prozent, schreibt dazu auf Anfrage Dr. Christoph Gepp aus dem Vorstand
des Privatärztlichen Bundesverbandes (PBV) auf Anfrage. „Die Ausgaben liefen natürlich weiter, wobei einige Kolleginnen und Kollegen von dem Angebot der Kurzarbeit Gebrauch machten oder machen
mussten“, heißt es weiter in dem Schreiben des Allgemeinmediziners aus Darmstadt. Nach der Normalisierung im Sommer und dank vielfältiger Vorkehrungen der Privatärzte, fallen die Verluste aktuell
im zweiten Lockdown weniger hoch aus, die meisten Praxen „arbeiten nicht unter der Grenze der Wirtschaftlichkeit“, so Gepp.
Hygienepauschale als Ausgleich
Positiv habe sich die Hygienepauschale A245 durch die zumindest teilweise „ein Ausgleich der immens gestiegenen Kosten für Hygiene, Patienten und Mitarbeiterschutz“ ermöglicht worden sei.
„Enttäuschend“ sei allerdings, dass diese Position im September „bei unverändert hohem Druck auf die Praxen auf den einfachen Satz reduziert“ worden sei.
Benachteiligt worden seien die Privatpraxen dadurch, dass sie „bei der Verteilung mit Schutzausrüstung vergessen wurden“. Nur „in Ausnahmefällen“ sei diese wegen der Verteilung durch die KVen in
den Praxen angekommen. Die „systemerhaltende Funktion der Privatmedizin wird generell als viel zu gering eingeschätzt“, ärgert sich der PBV-Vertreter. Immerhin: Privatärzte seien als „völlig
unabhängig „Wirtschaftende gewohnt, auf Unvorhergesehenes zu reagieren“, so Gepp.
Erfolgreich agiert in der Krise hat auch Gepps Vorstandskollege im PBV Dr. Thomas Ems, Hausarzt in Frechen-Königsdorf bei Köln. Auch Ems, der eine Privatpraxis mit vier in Teilzeit beschäftigten
Ärzten führt, hatte im März/April deutliche Einbußen, wie er im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ berichtet.
GOÄ-Nr. A245 sichert die Umsätze
Im Gesamtjahr habe er dennoch einen Umsatz in gleicher Höhe wie 2019 erwirtschaftet – auch dank der Hygienepauschale nach GOÄ-Nr. A245: „Das ist ein faires Entgegenkommen der PKV“, sagt
Ems.
Bei 30 bis 50 Patientenkontakten pro Tag wie in seiner Praxis komme da durchaus einiges zusammen. Schon im September hatte die PKV gemeldet, über die Position über eine halbe Milliarde Euro zur Finanzierung der
Hygienemaßnahmen und Schutzausrüstung beigetragen zu haben.
„Die Leute sind entspannt und kommen auch zu ihren Check-ups“
Von der zweiten Welle merke die Praxis gar nichts, so Ems. „Die Leute sind entspannt, kommen auch zu ihren Check-ups.“ Das liege auch an vielen vertrauensbildenden Maßnahmen, die er früh
ergriffen habe: „Wir trennen Patienten mit Erkältungssymptomen von anderen Patienten in der normalen Sprechstunde, und wir waren auch früh mit guter Schutzausrüstung versorgt“, erinnert sich der
Allgemeinarzt.
Er habe immer nachts im Netz zwischen zwei und drei Uhr „die besten Schnäppchen gemacht“, und die Ware sei auch geliefert worden.
Alle Mitarbeiter der Praxis arbeiten mit Patienten – alle tragen auch Schutzausrüstung, und noch habe sich niemand angesteckt – außer ihm selbst, gleich am Anfang und ohne irgendwelche Symptome
zu entwickeln.
Erst später bei einem Antikörpertest habe er es bemerkt. Für den Einsatz während der Pandemie habe er daher jetzt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den vollen Corona-Bonus von 1500
Euro gezahlt.