Impulsbeitrag Edgar Heuss Sicherheitsingenieur

Die leidige Handschuhfrage

 

Einweg-Schutzhandschuhe, ein leidiges Thema. Verkäufer, Beschäftigte in der Gastronomie, selbst Handwerker tragen die dünnen Latex- oder Nitril-Handschuhe (es gibt noch weitere Materialien), wegen CoV-2. Weil irgendjemand auf die Idee kam, dies zur Pflicht zu machen. Offensichtlich gedacht zum Schutz von Kontaktpersonen. Das ist nicht nur unnötig, sondern schädlich. Es führt zu einem Pseudoschutz und zu gesundheitlichen Problemen bei den Trägern. Den Handschuh-Träger schützt es auch nicht. Selbst mit Handschuh ist man geneigt, Gesicht, Augen, Nase, Mund zu berühren. Es gibt auch keinen Beweis, dass CoV-2 einen Infektionsweg über die Haut findet. Kleine Wunden kann man mit wasserfestem Pflaster schützen.

Im Sinne des Arbeitsschutzes ist das Tragen von Handschuhen eine Feuchtarbeit, weil sich unter dem Handschuh sehr schnell ein Feuchtefilm bildet. Dies führt, bei ständigem Tragen, zu Hautproblemen. Deshalb wird eine Begrenzung der Tragezeit auf maximal 4 Stunden täglich vorgeschrieben (Technische Regel Gefahrstoffe TRGS 401). Bei der Einwirkung weiterer Stoffe, wie viruziden Desinfektionsmitteln, verkürzt sich diese Tragezeit. Bei 5 Desinfektionen der Handschuhe pro Stunde, lege ich die täglich zulässige Tragezeit auf 1 Stunde fest. Besonders beim Tragen von Latex-Handschuhen kann es außerdem zu allergischen Hauterkrankungen kommen. Besonders problematisch sind / waren (mit Maismehl) gepuderte Latex-Handschuhe. Im Feuchtefilm zwischen Haut und Handschuh finden Bakterien hervorragende Lebensbedingungen.

Einweg-Handschuhe dürfen nicht mehrfach getragen werden, Umdrehen und Trocknen darf nicht sein. Beim Ausziehen den unteren Rand fassen und den Handschuh so abziehen, dass die Außenseite bedeckt bleibt. Vorsicht, auch die Innenseite ist potenziell kontaminiert.
Vor 25 Jahren in Heidelberg, haben meine Mitarbeiter und ich, zusammen mit der damaligen Landesgewerbeärztin, Dr. Eva Eck, eine große Studie über das Tragen von Schutzhandschuhen durchgeführt. Wir haben 650 beruflich handschuhtragende Probanden auf Allergien und Hauterkrankungen getestet. Auch wurden die Durchdringungszeiten für Gefahrstoffe durch Handschuhmaterial ermittelt. Aufgrund unserer Ergebnisse und weiterer Erkenntnisse, haben wir die Handschuhhersteller zu Änderungen ihrer Rezepturen veranlasst und die Arbeitsschutz-Vorschriften zum Tragen von Handschuhen mitgestaltet. Gepuderte Handschuhe wurden überwiegend vom Markt genommen.
Die Qualität von Handschuhen ist sehr unterschiedlich. Die derzeit große Nachfrage hat sicher zur Folge, dass auch Billigprodukte auf den Markt geworfen werden. Schutzhandschuhe müssen der Europanorm DIN EN 374 entsprechen. Standardware hat einen sogenannten AQL-Wert von 1,5. Das bedeutet, von 100 Handschuhen haben 1,5 Handschuhe einen kleinen Defekt. AQL = acceptable quality level.

Handschuhe können unerwünschte Beimengungen enthalten, Benzothiazole, Thiuram, Thioharnstoff. Es sollten Handschuhe getragen werden, die frei von solchen Stoffen sind und einen AQL von 1,5 oder besser (z.B. 0,69) haben.

Die vorgeschriebenen maximalen Tragezeiten müssen eingehalten werden. Damit sind Schutzhandschuhe im Gastgewerbe, getragen über eine Arbeitsschicht, unzulässig. Nitrilhandschuhe sind Latexhandschuhen vorzuziehen. Latexhandschuhe quellen auf und haben noch kürzere Durchbruchzeiten. Verschweißte Folienhandschuhe sind ungeeignet, der Schweiß läuft aus dem Handschuh, da sie nicht enganliegend sind. Zum besseren Schutz der Haut kann unter dem Schutzhandschuh ein dünner, weißer Baumwollhandschuh getragen werden.

Äußerstes Gebot ist Händewaschen, intensiv mit Seife oder Spülmittel. Es macht keinen Sinn einen sauberen Handschuh über eine mit CoV-2 behaftete Hand zu ziehen. Wenn das Virus auf die Haut gelangen konnte, kommt es auch auf die behandschuhte Hand. In beiden Fällen muss es abgewaschen werden. Handschuhe zu desinfizieren schützt keineswegs die Haut des Trägers. Das Desinfektionsmittel wandert in Sekundenschnelle durch das Handschuhmaterial auf die Haut. Im Feuchtefilm reichert es sich an.

Die ständige Desinfektion der Hände hat einen ähnlichen Effekt wie die häufige unnütze Gabe von Antibiotika, sie führt zu Resistenzen durch Mutationen. Und, man bedenke, Desinfektion bedeutet Reduzierung der Keime, nicht deren totale Vernichtung.

Das verbreitete Tragen von Schutzhandschuhen suggeriert, alles sei mit CoV-2 kontaminiert. Das ist natürlich nicht der Fall. Dazu müssten Heerscharen von Infizierten herumlaufen und alles anhusten. Und selbst dann führt nicht jede Berührung zu einer Schmierinfektion.
Prof. Streeck z. B. hat im April in Heinsberg auf Abstrichproben von Türklinken etc. kein CoV-2 gefunden.

Meine Meinung: Das Tragen von Schutzhandschuhen im Verkauf, im Gastgewerbe und Handwerk sollte auf ganz wenige Spezialfälle (z. B. bestehende Hauterkrankungen) beschränkt sein. Händewaschen statt Pseudoschutz1“

Übrigens: in der Spitzengastronomie (***) werden schon immer Handschuhe getragen. Weiße Stoffhandschuhe, beim Auflegen der Bestecke und beim Servieren. Zur Vermeidung von Fingerabdrücken. Zwischendurch werden sie wieder abgelegt.

Wenn im Restaurant ein Gast eine Flasche Wein bestellt, darf die Bedienung nicht damit die Gläser nachfüllen, auch nicht mit Handschuhen. Nein, das muss man nicht verstehen.

Es wundert mich, dass man für die Gastronomie nicht verlangt, dass auch die Gäste Schutzhandschuhe tragen müssen. Auf eine weitere unsinnige Maßnahme kommt es doch nicht an …

 

Früheren Veranstaltungen von Edgar Heuss zum Thema:
- Hautschutzseminare
- Allergiegefahren beim Tragen von Schutzhandschuhen
- Handschuhe bei Labor- und medizinischen Arbeiten
- Schutzmaßnahmen bei Einwirkung von chemischen, biologischen und radioaktiven Stoffen
- Durchbruchzeiten von chemischen Stoffen bei Latex- und Nitril-Handschuhen
- Hygiene, Desinfektion, Dekontamination