Liebe Mitglieder,
wir freuen uns, Ihnen nun die zweite Ausgabe der PÄP „im neuen Gewand“ präsentieren zu können.
Da diese Ausgabe in eine von politischer Betriebsamkeit gekennzeichnete Zeit fällt, stellen wir
diesmal zugunsten der Aktualität rein politische Beiträge in den Hintergrund. Nachdem die wohl am meisten herausfordernde Option einer Linksregierung durch die Wähler aus dem Spiel genommen
wurde, bleibt es jedoch nicht minder spannend.
Es bleibt gegenwärtig zu hoffen, dass das so ungemein wichtige Thema Gesundheit mit einem volkswirtschaftlichen Volumen von bald 400 Milliarden Euro nicht zugunsten von Koalitions- oder gar
Personalabsprachen auf der Strecke bleibt. Wir fordern natürlich eine klare Absage an die sogenannte Bürgerversicherung und die schnellstmögliche Einführung der neuen GOÄ. Hierfür werden wir alle
uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen.
SAVE THE DATE | Unser Zukunftsforum am 13.11.2021 in Frankfurt am Main ist hierbei nur eine Möglichkeit, uns zu positionieren. Neben dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr.
Klaus Reinhard, begrüßen wir namhafte Vertreter des Verbandes der privaten Krankenversicherungen und der PVS. Melden Sie sich am besten heute noch zur Teilnahme an, wir müssen unsere Positionen
aktiv vertreten!
Auf Seite 5 finden Sie die Einladung zur Veranstaltung und das finale Programm.
Zusätzlich haben wir in dieser Ausgabe den Schwerpunkt auf das Thema Recht gelegt und berichten Ihnen über praxisrelevante Gerichtsurteile.
Wir hoffen, Sie finden Gefallen an der aktuellen PÄP, und freuen uns über Ihr Feedback und auch über Ihre Themenvorschläge.
Ihr Vorstand des PBV
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der PÄP auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher
Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Rechtssicherheit ist für uns Ärzte eine besonders wichtige Grundlage der täglichen Arbeit. Gesetze und Verordnungen sorgen für den notwendigen Rahmen; der Rechtsprechung mit ihren Interpretationen und Auslegungen wird dann die für uns praktische Bedeutung zuteil. An dieser Stelle möchten wir daher auf aktuelle, für alle Ärzte bedeutsame Entscheidungen der Gerichte eingehen, die sich mit den meist diskutierten Aspekten „Dokumentation“ und „Aufklärung“ beschäftigen.
Dokumentation in der ePA – Beweisführung vor Gericht
Die ärztliche Dokumentation muss nachvollziehbar sein. Dies gilt für die handschriftliche wie für die elektronische Dokumentation gleichermaßen. Während die handschriftliche Korrektur von
Einträgen meist einfach nachvollzogen werden kann, sind elektronische Korrekturen auf den ersten Blick spurlos möglich. Bislang wurde dies nicht zum Nachteil der Ärzte ausgelegt, das heißt, der
Beweiswert der elektronischen Akte wurde grundsätzlich nicht angezweifelt. Der Bundesgerichtshof hat hier nun die Grenzen der beweisrechtlichen Verwertbarkeit elektronischer Akten aufgezeigt (Az.
VI ZR 84/19).
Positive Indizwirkung
Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob eine Augenärztin die Untersuchung des Klägers unter medikamentöser Erweiterung der Pupille durchgeführt hat. Laut der Dokumentation der Augenärztin war
dies erfolgt, was der Patient im Weiteren bestritt. Der Patient war auf dem betreffenden Auge nach einer späteren Operation, die aufgrund einer Netzhautablösung erfolgte, erblindet. Eigentlich
stand
die Frage im Raum, ob die erstmalige Untersuchung des Patienten nicht einen Erkenntnisgewinn hätte liefern müssen, der dann zu einer Wiedereinbestellung zwecks Verlaufskontrolle hätte führen
müssen. Diese medizinische Frage ist nicht Gegenstand des zitierten Urteils des Bundesgerichtshofes. Entschieden wurde über den Beweiswert des Akteneintrages der Augenärztin, der die Durchführung
der Untersuchung belegen sollte. In den vorinstanzlichen Urteilen wurde dem Akteneintrag eine sogenannte positive Indizwirkung zugesprochen. Da die verwendete Software Korrekturen jedoch nicht
für den Anwender unveränderbar und nachvollziehbar erkennen lässt, wurde dem Beweis „Patientenakte“ die positive Indizwirkung abgesprochen. Die Dokumentation ist also im Fall der verwendeten
Software nicht über jeden Zweifel erhaben.
Dokumentationspflicht und Beweislastumkehr
Dokumentationspflichtig sind u. a. Anamnese, Untersuchungen und Aufklärung. Wenn diese nicht dokumentiert sind, greift aber nicht automatisch die Beweislastumkehr. Ausnahme ist nur die
sogenannte Selbstbestimmungsaufklärung, z. B. in Zusammenhang mit operativen Eingriffen (Durchführung und Risiken). Die davon abzugrenzende alltägliche therapeutische Aufklärung dient bei
fehlender Dokumentation eben nicht automatisch als nicht durchgeführt. Die Dokumentation von Anamnese, Untersuchung und therapeutischer Aufklärung dient laut BGH vorrangig der Sicherstellung der
derzeitigen oder zukünftigen Behandlung aus ärztlicher Sicht. Daher resultiert bei fehlenden Einträgen keine unmittelbare Beweislastumkehr (mit Ausnahme der Selbstbestimmungsaufklärung
s. o.).
Fazit
Die Rechtsprechung würdigt die medizinische Behandlungsdokumentation mit einer positiven Indizwirkung. Das bedeutet, dass unserer ärztlichen Dokumentation Beweiswert zugesprochen wird. Sollte
eine Dokumentation fehlen, wird die Behandlung als solche jedoch nicht grundsätzlich angezweifelt. Die Rechtsprechung im Einzelfall wird allerdings durch fehlende Beweise erschwert. Konkret
bedeutet dies, dass der medizinische Gesamtzusammenhang bei rechtlichen Auseinandersetzungen aufwendiger rekonstruiert werden muss, was nicht immer zugunsten des Arztes ausfällt. Dies beinhaltet
dann zwar auch die nicht fälschungssicheren Teile der ärztlichen Dokumentation, jedoch ohne besonderen Beweiswert. Wenn also wie im vorliegenden Fall die Dokumentation als alleiniger Beweis
(positive Indizwirkung) nicht ausreicht, müssen andere Aspekte des Falles mit herangezogen werden, um eine juristische Entscheidung zu treffen.
In ihrem Beitrag „Zum Beweiswert digitalisierter Patientenakten“ (s. Literaturangabe) schreiben Rottmann und Wienke (Kanzlei Wienke und Becker – Köln): „Wer bei der Patientenakte mit der Zeit
geht und bereits auf die elektronische Form umgestiegen ist, sollte vor dem Hintergrund dieser aktuellen Entscheidung sicherstellen, dass die eingesetzte Software nachträgliche Änderungen immer
kenntlich macht. Nur dann kann die Dokumentation im Falle eines Arzthaftungsprozesses als Beweismittel positive Indizwirkung entfalten.“ Und weiter: „Die Bundesärztekammer (BÄK) schlägt in ihren‚
Hinweisen und Empfehlungen zur ärztlichen Schweigepflicht, Datenschutz und Datenverarbeitung in der Arztpraxis vom 09.03.2018 vor, man solle sich beim Erwerb einer Software vom Hersteller
schriftlich bestätigen lassen, dass die Software die Anforderungen des § 630f BGB erfülle.“
Quellen:
BGH, Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 84/19 – OLG Oldenburg, LG
Aurich
Rottmann L, Wienke A: Zum Beweiswert digitalisierter Patientenakten, Deutscher Ärzteverlag, HNO Mitteilungen 2021 71 (5)
Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen
Wenn es um Aufklärungen geht, die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nach § 630e betreffen, sollte der Patient über Behandlungsalternativen informiert werden. Welcher Rahmen hierbei zu
beachten ist, wurde in einem Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG Naumburg – Az.: 1U 48/18) konkretisiert. Der verhandelte Fall betraf einen Mann, der sich einer operativen
Hirntumorentfernung unterzog. Der Patient wurde im Rahmen der Aufklärung darauf hingewiesen, dass der Eingriff nur relativ indiziert war. Er machte nachfolgend vor Gericht geltend, dass er
einerseits über den Zugang (Augenbraue) und andererseits nicht über die mögliche Behandlungsalternative einer Bestrahlung aufgeklärt worden sei. Vorinstanzlich wurden Aufklärungsfehler des Arztes
verneint. Insbesondere war in der Verhandlung des OLG Naumburg thematisiert worden, ob der Patient über die Alternative einer Strahlentherapie hätte aufgeklärt werden müssen. Der sachverständige
Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Strahlentherapie in diesem Fall keine gleichwertige Alternative war. Das OLG Naumburg begründete seine Zurückweisung der Berufung damit, dass
Behandlungsalternativen nur dann zu benennen sind, wenn sie sich in ihrer Gleichwertigkeit (potenzielles Behandlungsergebnis) nicht – aber im Hinblick auf die Belastung des Patienten und die mit
der Maßnahme verbundenen Risiken – unterscheiden.
In seinem Beitrag „Zur Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen“ schreibt Wienke (Kanzlei Wienke und Becker – Köln): „Allerdings gewährt die Therapiefreiheit dem Arzt grundsätzlich die
freie Entscheidung über die Wahl der Behandlungsmethode. Daher muss im Gespräch mit dem Patienten nicht jede denkbare Behandlungsalternative thematisiert werden. Vielmehr beschränkt sich die
Aufklärungspflicht auf gleichwertige Behandlungsmethoden.“ Und: „Gleichzeitig ist die Entscheidung auch ein anschauliches Beispiel für das Einfallstor vermeintlicher Aufklärungsfehler. Die
Beweislastregeln des Arzthaftungsrechts, die dem Arzt auferlegen, die ordnungsgemäße Aufklärung zu beweisen, führen dazu, dass Patienten neben Behandlungsfehlern immer öfter einen
Aufklärungsfehler behaupten.“
Quellen:
Rechtsprechung OLG Naumburg vom 14. Mai 2019 – 1 U
48/18
Wienke A: Zur Aufklärungspflicht über Behandlungsalternativen – OP, Strahlentherapie oder Abwarten?, Deutscher Ärzteverlag, HNO Mitteilungen 2021 71 (5)
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