Liebe Mitglieder,
nun ist es also vollbracht: Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien steht, und eine neue Bundesregierung versucht, eine politische Neuausrichtung auf den Weg zu bringen. Dies soll auch für den
Bereich Gesundheit gelten. Ein Koalitionsvertrag ist aber kein Gesetz, und auf dem Weg dorthin sind bekanntlich weitere Herausforderungen zu meistern. Umso wichtiger ist es, dass wir Ärzte
kontinuierlich für unsere Rechte und für die uns wichtigen Veränderungen kämpfen. Eine neue GOÄ ist hierbei nur ein Beispiel.
Im Hinblick auf die anstehenden politischen Entwicklungen haben wir daher rechtzeitig unser Zukunftsforum Gesundheitspolitik am 13.11.2021 in Frankfurt stattfinden lassen. Die positive Resonanz
der
anwesenden Mitglieder bestätigte unseren eigenen Eindruck, dass die Veranstaltung sehr gelungen war. Dies lag natürlich zum großen Teil auch an den hervorragenden Rednern, die wir für diesen
wichtigen Austausch gewinnen konnten. Neben dem Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK),
Dr. Klaus Reinhardt, waren der Direktor des PKV-Verbandes, Dr. Florian Reuther, der geschäftsführende
Vorstand des PVS-Verbandes, Stefan Tilgner und der Justiziar des PBV, Frank Heckenbücker, vor Ort und konnten mit ihren Beiträgen überzeugen.
Wir nehmen diese Ausgabe der PÄP zum Anlass, die wichtigsten Aussagen, die im Rahmen der
Veranstaltung getätigt wurden, zusammenzufassen.
Ihr Vorstand des PBV
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der PÄP auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher
Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
PBV-Weiterbildung, Praxisgründungsseminar und
Jahreshauptversammlung in Frankfurt
Im Rahmen unserer nächsten Jahreshauptversammlung am 05.03.2022 werden Sie die Möglichkeit haben,
Ihre Fragen zum Thema Abrechnung/GOÄ zur Diskussion zu stellen. Hierfür teilen Sie uns bitte Ihre Fragen
vorab per E-Mail mit: sekretariat@pbv-aerzte.de
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Befürwortung des dualen Systems
Für den Präsidenten der Bundesärztekammer ist es bemerkenswert, dass die Gesundheitspolitik trotz aktuell anhaltender Pandemie in der Außenwahrnehmung der Koalitionsverhandlung nur eine
untergeordnete Rolle spielt. Im Vordergrund stehen derzeit eindeutig die Themen Klima und Steuern. In diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass die private Krankenversicherung nicht abgeschafft
werden soll. Die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung ist angesichts eines zweistelligen Milliardendefizits in diesem und im nächsten Jahr außerordentlich prekär.
Klaus Reinhardt bekräftigte in diesem Zusammenhang nochmals seine unbedingte Befürwortung des dualen Systems. Er sieht zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung einen Komfort-, aber
keinen Qualitätsunterschied. „Bei der Zugfahrt kommen die erste und die zweite Klasse auch gleichzeitig an.“ Durch die Privatmedizin würden sich zudem Innovationen im Gesundheitssystem schneller
durchsetzen.
Der Präsident der BÄK fordert von der neuen Bundesregierung die Einführung der neuen GOÄ. Ziel
dieser neuen Gebührenordnung ist es, eine angemessene Vergütung für jede Leistung eines Arztes nach Kenntnis, Erfahrung und Aufwand zu erreichen. Eine entsprechende Aufforderung zur Umsetzung
ging nun auch an die Vertreter der neuen Bundesregierung.
Die Fragen des Plenums richteten sich unter anderem auf den Aspekt der zukünftigen Digitalisierung des Gesundheitswesens. Klaus Reinhardt befürwortet grundsätzlich die Digitalisierung, sieht
jedoch große organisatorische Probleme im aktuellen Gesundheitsministerium und bei der Umsetzung von e-Rezept und e-AU.
Privates Versicherungswesen: gut aufgestellt
Florian Reuther plädierte eingangs dafür, dass die Beteiligten im Gesundheitswesen nicht nur in politischen Zeiträumen denken und planen sollen. Das private Versicherungswesen sieht er gut
aufgestellt. Die Altersrückstellungen betragen derzeit 287 Milliarden Euro. Damit sind privat Versicherte auch für die Zukunft gut aufgestellt. Allerdings muss sich das PKV-System immer wieder
gegen politische Angriffe verteidigen. Die Politik, vorrangig von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeichnet eine Skepsis aus, Absicherung privat zu organisieren.
Diese Haltung wurde merklich durch die Finanzkrise 2008 befeuert. Das früher eherne Prinzip der Subsidiarität wird immer weniger eingehalten. Die aktuelle Pandemie wird gern als Beispiel dafür
genommen, dass nur der Staat letztlich für die Gesundheit der Bürger sorgen kann. Allerdings hat hier vieles staatlich Organisierte nicht gut funktioniert. Notwendige Vergütungsanpassungen über
die Hygienepauschalen und für weitere Leistungen wurden hingegen seitens der privaten Versicherungswirtschaft gemeinsam mit der Bundesärztekammer schnell, wirksam und gerecht veranlasst.
Für die Zukunft ist es laut Florian Reuther ganz besonders wichtig, aktiv für das duale System einzutreten. In diesem Zusammenhang lobte er die Initiative des PBV, vor der Wahl klar Stellung zu
beziehen und dies in der Öffentlichkeit entsprechend zu kommunizieren.
Die Digitalisierung wird nach seiner Ansicht Chancen für eine bessere Versorgung bieten, sie muss aber aus der Perspektive des Patienten gedacht werden. Die PKV wird den „analogen Kunden“ und
seine Bedürfnisse weiter vollumfänglich bedienen, wenn er dies wünscht.
Podiumsdiskussion
Die anschließende Podiumsdiskussion nahm unser geschäftsführender Vorstand, Dr. Thomas Ems, zum Anlass, die Forderungen des PBV an alle Beteiligten im Gesundheitswesen zu formulieren, und erntete
dafür breite Zustimmung:
Die Bürgerversicherung und das Verfassungsrecht
Bestanden vor dem Ausgang der Bundestagswahl erhebliche Sorgen, ob das duale System von gesetzlicher und privater Krankenversicherung erhalten bleiben würde, ist nun nach Ausgang der Wahlen und
nach dem Vorliegen des Koalitionsvertrages nicht zu befürchten, dass derzeit eine Bürgerversicherung eingeführt wird.
Dennoch ist nicht zu übersehen, dass sowohl SPD als auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Modell der Bürgerversicherung in ihren Wahlprogrammen vorgesehen hatten.
Die Idee einer Bürgerversicherung findet sich bereits in den Vorschlägen der sogenannten „Rürup-Kommission“ aus dem Jahre 2003. Die dort angedachten Maßnahmen wurden dann von SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und LINKEN im Parteiprogramm ausgestaltet; ebenso gibt es aber auch Vorschläge von Gewerkschaften und anderen Interessenverbänden. Die Konzepte, wie eine solche Bürgerversicherung
tatsächlich gestaltet werden soll, unterscheiden sich erheblich. Was man wohl allgemein für alle Modelle annehmen kann, ist, dass alle gesetzlich und privat Versicherten in eine solidarische
Finanzierung der Bürgerversicherung einbezogen werden sollen. Nach einigen Modellen soll die private Krankenversicherung in diesem Zuge abgeschafft werden; nach anderen Modellen bleibt die
private Krankenversicherung entweder als Zusatzversicherung oder aber auch als Vollversicherung erhalten. Bereits an diesem Punkt stellt man fest, dass es die „eine“ Bürgerversicherung nicht
gibt, sondern viele unterschiedliche Modelle, die sich dann Bürgerversicherung nennen.
Die Diskussion um die verfassungsmäßige Zulässigkeit einer Bürgerversicherung ist im Grunde ebenso alt wie die ersten Ideen, die zur Bürgerversicherung entwickelt wurden. Inzwischen dürfte der
folgende Satz, mit dem ich die verfassungsrechtliche Betrachtung einleiten möchte, unter Juristen weitestgehend unstreitig sein: „Je nach gewählter Gestaltungsoption der Bürgerversicherung sind
die Auswirkungen auf die beteiligten Grundrechtsträger – insbesondere die Pflichtversicherten und die private Krankenversicherung – von unterschiedlichem Gewicht. Das macht konkrete Aussagen zum
verfassungsrechtlichen Spielraum des Gesetzgebers schwierig.“ (Wissenschaftliche Dienste des Bundestags, WD3-3000-486/10, Verfassungsmäßigkeit einer Bürgerversicherung, 21.12.2010).
Dementsprechend wird es letztlich darauf ankommen, wie eine Bürgerversicherung ausgestaltet ist, beziehungsweise auch, wie sie in der Gesamtheit wirkt, um Aussagen über ihre Verfassungsmäßigkeit
zu machen.
Ob eine Bürgerversicherung verfassungskonform gestaltet werden kann, wird in der Literatur breit diskutiert. Die Ergebnisse differieren nach Auftraggeber der Arbeit und persönlicher Einstellung
des Verfassers. In allen Ausarbeitungen werden im Wesentlichen die Grundrechte der Versicherungsnehmer und die Grundrechte der privaten Krankenversicherung in Augenschein genommen. Die
Grundrechte der Ärzte sind eigentlich nie Gegenstand der Betrachtung.
Die folgenden verfassungsrechtlichen Fragen werden im Wesentlichen aufgeworfen:
„Hat der Bund insoweit überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz?“
In der Literatur wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass es möglich ist, die Bürgerversicherung so zu gestalten, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht.
„Greift die Einführung einer Bürgerversicherung in die durch Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz
geschützte Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen und in deren Eigentumsfreiheit gemäß Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz ein und sind diese verletzt?“
Dem kann entgegengehalten werden, dass das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht die bloßen
Erwerbschancen garantiert und dass die PKV, nach vielen derzeitigen Konzepten, die Möglichkeit
haben soll, ihr Tätigkeitsfeld durch ein eigenes Angebot der Bürgerversicherung selbst zu vergrößern und darüber hinaus Zusatzversicherungen anzubieten. Dies wird von großer Bedeutung sein, da
die Bürgerversicherung für alle Bürger die gleichen festgelegten Leistungen vorsieht.
„Greift die Einführung einer Bürgerversicherung in die durch Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (Eigentumsgarantie) geschützten Grundrechte bislang Privatversicherter gegen ihre jeweiligen
Versicherer ein – zum Beispiel: Zugriff auf die Altersrückstellung zur Abdeckung der Mehrkosten im Alter?“
Das Bundesverfassungsgericht hat 2013 in einem Verfahren über die Portabilität von Altersrückstellungen entschieden, dass diese nicht unter dem Schutz von Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz stehen
(BVRFG, Beschluss vom 26.06.2013, 1, BvR 1148/13).
Unabhängig von dieser Entscheidung wird in der Literatur überwiegend vertreten, die Verfassungsmäßigkeit sei bei Bestandschutz für die bisherigen PKV-Versicherten und die Möglichkeit zu einer
Mitnahme der Altersrückstellungen gewahrt.
Neben diesen regelmäßig in der Literatur diskutierten Fragen stellen sich durchaus auch noch weitere Fragen zur Verfassungsmäßigkeit: Zum Beispiel die Frage der Einbeziehung der Beamten in die
Bürgerversicherung. Auch insoweit deutet vieles darauf hin, dass diese Frage verfassungsrechtlich konform lösbar ist.
Mit der Einführung einer Bürgerversicherung könnte aufgrund ihres Zwangscharakters das Grundrecht auf (negative) Vereinigungsfreiheit gemäß Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz verletzt werden. Dies
mit der Argumentation, dass niemand gezwungen werden kann, dieser Bürgerversicherung beizutreten.
Dem wird entgegengehalten, dass die Wahrung eines finanzierbaren Gesundheitssystems – es mag dahingestellt sein, ob die Bürgerversicherung insoweit überhaupt ein geeignetes Instrument ist – als
verfassungsmäßig vorrangig anzusehen ist, insbesondere da bereits überwiegend Teile der Bevölkerung Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind.
Indem alle Bürger dazu verpflichtet werden, sich in der GKV zu versichern, wird nach der Auffassung verschiedener Autoren die Grenze des Artikels 20 Grundgesetz („Sozialstaatsprinzip“) zu einer
sozialstaatlichen Bevormundung der Bürger ausgeweitet. Ein sympathisches Argument, dem aber die bereits vorgenannten Gründe entgegengehalten werden.
„Nun aber zur Frage: Was ist mit den Grundrechten der Ärzte?“
Auch hier kann man – wie bei den privaten Versicherungsunternehmern – an die Artikel 12 und 14 Grundgesetz denken, also die Berufsfreiheit und den Schutz des Eigentums.
Wenn die Konstruktion der Bürgerversicherung dem Arzt die Möglichkeit offenhält, Patienten außerhalb der Bürgerversicherung zu behandeln, wird kein Verfassungsverstoß anzunehmen sein. Die
Regelungen der Bürgerversicherung sind im Zweifel sogenannte Berufsausübungsregeln wie die jetzigen Regelungen der vertragsärztlichen Versorgung. Wer seine erbrachten Leistungen mit der
Bürgerversicherung abrechnen möchte, unterwirft sich den speziellen dort geltenden Berufsausübungsregeln. Solange dem Arzt aber das Recht zusteht, die erbrachten Leistungen auch unmittelbar mit
dem Patienten abzurechnen, muss er sich nicht den Berufsausübungsregeln der Bürgerversicherung unterwerfen.
Er ist damit in seiner Berufsausübung in vollem Umfang frei und damit wiederum nicht in seinen verfassungsrechtlichen Rechten verletzt. Ob dabei eine auskömmliche Verdienstmöglichkeit besteht,
ist unter dem verfassungsrechtlichen Blick unbeachtlich, da die Möglichkeit eines auskömmlichen Verdienstes eben nicht durch das Grundgesetz geschützt ist.
So bleibt mir nichts anderes, als mit dem Satz, mit dem ich meine Ausführungen begonnen habe, auch zu enden:
„Je nach gewählter Gestaltungsoption der Bürgerversicherung sind die Auswirkungen auf die beteiligten Grundrechtsträger – insbesondere die Pflichtversicherten und die privaten
Krankenversicherungsträger (aber auch die Ärzte) – von unterschiedlichem Gewicht. Das macht konkrete Aussagen zum verfassungsrechtlichen Spielraum des Gesetzgebers schwierig.“
Impressionen: PBV-Zukunftsforum
Sonja Schroeter
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