PBV-Vorstandsmitglieder
    Dr. med. Norbert A. Franz, Vorsitzender
    Prof. Dr. med. Markus Hambek, 2. Vorsitzender
    Dr. med. Christoph Gepp, 2. Vors./Schatzmeister
    Dr. med. Thomas P. Ems, Geschäftsführer
Liebe Mitglieder,
    der Strukturwandel im Gesundheitswesen greift zunehmend und in allen Bereichen. Leider findet das Bundesgesundheitsministerium keine Maßnahmen, die den Wandel sinnvoll gestalten. Im Gegenteil,
    viele Gesetzesvorhaben erscheinen unkoordiniert und wenig hilfreich. Aktuell verbreitet der kürzlich vorgestellte Klinikatlas große Unruhe, da er aufgrund fehlerhafter Konzeptionierung keine
    Rückschlüsse auf Kompetenzen erlaubt.
    
    Der Ruf nach schnellerer Digitalisierung des Gesundheitswesens wird gleichzeitig immer lauter, suggerierend, dass es sich um den Heilsbringer schlechthin handelt. Dies ist natürlich nicht der
    Fall. Wir sehen auch, dass die Digitalisierung unserer Arbeit immer weiter voranschreitet, und dort, wo sie die Effizienz steigert, dient sie letztlich uns allen. Jeder ist schließlich selbst
    gefragt, wie weit er bereit ist zu gehen und auch wann er den nächsten Schritt macht. Es ist allerdings Vorsicht geboten. In dieser Ausgabe weisen wir daher auf kritische Aspekte und Risiken der
    Digitalisierung hin, auf die Dr. Norbert A. Franz im Rahmen der Jahreshauptversammlung hingewiesen hat. Bilden Sie sich Ihre eigene Meinung!
    
    Ein weiterer Beitrag in dieser Ausgabe beschäftigt sich mit der aktuellen Rechtsprechung, die gerade für uns Privatärzte bedeutsam sein kann.
    
    Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre!
    
    Ihr Vorstand
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der PÄP auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
    
    
    Dr. Norbert A. Franz
    Dr. Norbert A. Franz ist niedergelassener Arzt in Frankfurt am Main und Vorstandsvorsitzender des Privatärztlichen Bundesverbandes (PBV).
    Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) ist seit 2015 verantwortlich für den Betrieb der einrichtungsübergreifenden Telematikinfrastruktur (TI) des
    Gesundheitswesens und für die stufenweise Einführung verschiedener Anwendungen der TI. Ziel und Auftrag war es, die elektronische Gesundheitskarte (eGK), den elektronischen Medikationsplan (EMP),
    die elektronische Patientenakte (ePA) und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) einzuführen sowie eine sichere Telematikinfrastruktur (TI) aufzubauen und
    weiterzuentwickeln.
    1. Argument
Das Arzt-Patienten-Verhältnis und der Schutz aller Daten unter der Hoheit der Patienten ist die Grundlage für unser ärztliches Handeln. Deshalb lehnen wir eine Weitergabe von Daten in ungesicherte Systeme grundsätzlich ab. Privatärzte wollen grundsätzlich unabhängig von jeder staatlichen Telematik sein. Eine zentrale Auswertung der Patientendaten zur Regulierung darf nicht erfolgen.
    2. Argument
    Eine ausreichende Sicherheitsstruktur ist nicht gewährleistet. Dokumente können nicht auf Viren geprüft werden. Auf einen integrierten Virenscanner ist verzichtet worden. Dateien müssen teilweise
    in das PDF-A-Format konvertiert werden – mit der Gefahr des Verlustes von im Dokument eingebetteten Metadaten.
    
    Außerdem fehlt eine Volltextsuche, und man kann keine größeren Bilddaten über 25 Megabyte in die Akte hochladen. Die Datenträger bleiben also weiter im Einsatz.
    
    Die ePA verbraucht beim Einlesen und Verarbeiten enorme Zeit, ist nicht strukturiert, und man muss Daten laden und suchen. Diese Zeit fehlt am Patienten.
    
    Es wird Gerichtsverfahren geben, bei denen den Ärzten unterstellt wird, sie hätten die vorhandenen Informationen nicht ausreichend genutzt: Wenn beispielsweise in einem Arztbrief, der zunächst
    nicht relevant erscheint, von einer Thrombose die Rede ist und dann eine Lungenembolie auftritt etc., oder bei Medikationen, die nur im Text versteckt sind.
    
    Zahlreiche ärztliche Organisationen lehnen die ePA ab und weisen auf schwere Fehler bei der Planung hin. Dabei ist der nächste Schritt, eine zentrale Erfassung aller EU-Bürger mit einer Anbindung
    an die gematik, schon im Gespräch.
    
    Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist der Meinung, dass die ePA nicht praxistauglich ist.
    3. Argument
Grundsätzlich ist weiterhin zu sagen, dass bei einem Ausfall der Infrastruktur nichts mehr geht. Wenn Telefonnetze und Strom ausfallen, wie im März 2024 in verschiedenen Städten geschehen, gibt es keine Medikamente und keine Information mehr. Die Telematik bricht zusammen. Ein handgeschriebenes Rezept in der Kassenmedizin hat in der Zukunft keine Gültigkeit mehr.
    4. Argument
In den vergangenen Tagen sind auffällig viele Stimmen laut geworden, die auf die russische Einflussnahme (Stichwort: Cybersicherheit, Desinformation, hybride Angriffe) in Deutschland und Europa und das damit verbundene Gefahrenpotenzial – nicht zuletzt auch im deutschen Gesundheitswesen – hinweisen. Die Gefahr scheint also immens zu sein und als solche auch prioritär auf die aktuelle Erhöhung der Risikobewertung hinzuwirken, was den Druck bei diesem Thema erhöhen dürfte.
Fazit
Insoweit müssen wir wohl davon ausgehen, dass Sicherheitsaspekte im Gesundheitswesen in den nächsten Wochen und Monaten einen noch breiteren Raum einnehmen werden, was dann sowohl die Debatte um die „Verfeinerung“ und den Ausbau der Telematikinfrastruktur als auch der Prozessgestaltungen in der jetzigen Form beeinflussen oder sogar infrage stellen wird.
    
    
    Kim-Victoria Seibert
    Kim-Victoria Seibert ist Fachanwältin für Medizinrecht in der Kanzlei ENP Eypasch Nord Rechtsanwälte PartmbB in Bonn.
    Der gesellschaftsrechtliche Gestaltungspielraum der Ärzte ist in der Vergangenheit erweitert
    worden. Abgesehen vom Sonderfall des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) ist in Deutschland bislang jedoch noch uneinheitlich geregelt, inwieweit eine (privat)ärztliche Tätigkeit auch in der
    Rechtsform einer GmbH, also einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, erfolgen darf. Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH sind sogenannte juristische Personen und können daher selbst
    Träger von Rechten und Pflichten sein. Als solche Rechtspersönlichkeit schließen sie auch in eigenem Namen selbst Behandlungsverträge mit den Patienten ab. Nicht alle Ärztekammern haben diese
    Rechtsform in ihren Berufsordnungen zugelassen. Beim Wunsch zur Gründung einer ärztlichen GmbH muss also stets der spezifische Fall betrachtet werden, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen
    landesrechtlichen Regelungen.
    Die Regelungen der GOÄ wurden hingegen seitens des Gesetzgebers nicht an diese Entwicklungen angepasst. So war die Abrechnung privatärztlicher Leistungen durch juristische Personen bisher
    umstritten: Vielfach wurde die Bindung der juristischen Personen – so auch GmbHs – an die GOÄ verneint, sodass in der Folge freie Preisvereinbarungen möglich erschienen.
    
    Davon abweichend hatten das Kammergericht (Urt. v. 04.10.2016, AZ: 5 U 8/16) und auch das Landgericht München I (Urt. v. 19.12.2019, AZ: 17 HK O 11322/18) die Bindung an die GOÄ bejaht. Das OLG
    Frankfurt am Main hingegen hatte noch im Jahr 2023 entschieden, dass die GOÄ für ärztliche GmbHs oder MVZ-GmbHs keine Anwendung findet (Beschl. v. 21.09.2023, AZ: 6 W 69/23; s. a. Urt. v.
    09.11.2023, AZ: 6 U 082/23). Diese könnten daher das Honorar für die ärztlichen Leistungen frei festlegen. In Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach die GOÄ im Innenverhältnis
    von Leistungserbringern – insbesondere zwischen Honorarärzten und Krankenhausträgern – nicht anwendbar ist, führte das OLG aus:
    
    „Adressat der GOÄ sind ausschließlich Ärzte als Vertragspartner des Patienten aus dem Behandlungsvertrag (§ 1 Abs 1 GOÄ). Hingegen ist die GOÄ nicht verbindlich im Verhältnis des Patienten zu
    einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer und Behandelnder i. S. d. § 630a Abs. 1 BGB. (…) Eine Ärzte-GmbH oder MVZ-GmbH sind also nicht verpflichtet, ihre Leistungen an Selbstzahlern nach
    GOÄ abzurechnen. Sie können also – anders als Ärzte – freie Preise vereinbaren. (...)“ (Beschl. v. 21.09.2023, AZ: 6 W 69/23)
    GOÄ als zwingendes Preisrecht
    Dieser Auffassung hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun eine ausdrückliche Absage erteilt. In einem kürzlich erschienenen Urteil (Urt. v. 04.04.2024, AZ: III ZR 38/239) führte der BGH aus, dass es
    sich bei der GOÄ um zwingendes Preisrecht handele, an das auch juristische Personen gebunden seien.
    
    In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Patient mit einem Universitätsklinikum einen Behandlungsvertrag über eine ärztliche Leistung geschlossen, die nicht von seiner gesetzlichen Krankenkasse
    übernommen wurde. Als Vergütung war ein Pauschalbetrag vereinbart worden. Das Klinikum rechnete auf Grundlage dieses abgeschlossenen Vertrages die erbrachten Leistungen pauschal ab. Der Patient
    zahlte zunächst den fünfstelligen Rechnungsbetrag, forderte die Summe aber schließlich mit seiner Klage zurück. Hierzu berief er sich unter anderem auf die Unwirksamkeit des Vertrages, da die GOÄ
    eine Pauschalpreisabrede nicht zulasse.
    
    Begründung
    Der BGH gab dem Kläger in letzter Instanz recht und verurteilte das Klinikum zur Rückzahlung der Vergütung. Dabei setzte er sich auch mit den vorgenannten Frankfurter Entscheidungen auseinander
    und verwarf die dortige Rechtsauffassung des OLG ausdrücklich. Dazu führt der BGH aus, dass § 1 Abs. 1 GOÄ nicht voraussetze, dass Vertragspartner eine Ärztin oder ein Arzt selber sei. Die GOÄ
    finde deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, zum Beispiel einem Krankenhausträger, abgeschlossen werde und die Leistungen durch Ärztinnen und
    Ärzte erbracht würden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig seien.
    
    Weiter führte der BGH aus, dass nur so der Sinn und Zweck der GOÄ gewahrt werden könne, „der darin besteht, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen zwischen denjenigen, die die
    Leistung erbringen, und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet sind. Dies ist unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden
    ist. (…)“
    
    Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars entspreche auch nicht den Vorgaben des § 2 GOÄ, so der BGH, sodass der geschlossene Behandlungsvertrag im Ergebnis nichtig sei:
    
    „Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GOÄ bedarf es zur Wirksamkeit einer abweichenden Honorarvereinbarung der individuellen Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem, die in einem
    Schriftstück zu treffen ist, das zur Gewährleistung hinreichender Transparenz die Nummer und Bezeichnung der Leistung, den Steigerungssatz und den vereinbarten Betrag enthalten muss (§ 2 Abs. 2
    Satz 2). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gebührenordnung nicht zugunsten eines Pauschalhonorars abdingbar ist.“
    
    Das beklagte Klinikum musste daher den Rechnungsbetrag an den klagenden Patienten zurückerstatten. Damit hat der BGH die bisher umstrittene Rechtsfrage um die Anwendbarkeit der GOÄ nun klar
    entschieden und sich für die umfassende Bindung der Gebührenordnung ausgesprochen, unabhängig von der Rechtsform des Vertragspartners. 
    
    
    Fazit
    
    Soweit also ärztliche Leistungen erbracht werden und andere gesetzliche Regelungen (z. B. das KHEntgG) nicht vorrangig sind, müssen die Leistungen nach den Regelungen der GOÄ abgerechnet werden.
    Honorarvereinbarungen müssen daher immer diese Bestimmungen berücksichtigen, Pauschalhonorare sind nicht zulässig. Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben führen zur Nichtigkeit des
    Behandlungsvertrages, mit weitreichenden Konsequenzen für den ärztlichen Honoraranspruch.
    
    Sonja Schroeter
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